CCS, 25. Mai 2025, 10:30 Uhr
In mehreren afrikanischen Staaten verschärfen sich die Gesetzgebungen gegen sexuelle Minderheiten dramatisch. Ein entscheidender Faktor dabei: der wachsende Einfluss evangelikaler Gruppen aus den Vereinigten Staaten. Seit Jahren investieren diese Organisationen Millionenbeträge in Lobbyarbeit, Veranstaltungen und rechtliche Beratung vor Ort – mit dem Ziel, LGBTQ-Rechte zu untergraben und konservativ-religiöse Wertvorstellungen zu verankern.
Millionen für eine Mission: Evangelikale Netzwerke und ihre Strategien
Seit 2007 haben über 20 US-amerikanische, christlich-fundamentalistische Gruppen nachweislich mehr als 54 Millionen US-Dollar nach Afrika transferiert. Ziel dieser Investitionen ist der Kampf gegen LGBTQ-Rechte, gegen Abtreibung sowie gegen moderne Sexualaufklärung. Besonders aktiv sind dabei Organisationen wie die Alliance Defending Freedom (ADF), das Family Research Council (FRC), Family Watch International (FWI) und der World Congress of Families (WCF).
Die Vorgehensweise ist systematisch. Über sogenannte „Familienwerte-Konferenzen“, direkte finanzielle Unterstützung für lokale Politiker und religiöse Führer, juristische Beratung und mediale Kampagnen versuchen diese Gruppen, ihre Ideologie tief in afrikanischen Gesellschaften zu verankern. Dabei bedienen sie sich gezielt kultureller Narrative, die Homosexualität als „unafrikanisch“ oder „satanisch“ darstellen. Ihre Strategie ist weniger offen missionarisch, sondern geschieht oft unter dem Deckmantel des kulturellen Austauschs oder der Förderung traditioneller Werte.
Beispielhafte Einflussnahmen
- Veranstaltung von Konferenzen mit dem Titel „Afrikanische Familienwerte“ in Nigeria, Uganda und Ghana.
- Rechtshilfe für Politiker, die Anti-LGBTQ-Gesetze verfassen.
- Finanzierung von Medienkampagnen, die LGBTQ-Themen diffamieren.
Fallbeispiel Uganda: Die Eskalation eines Gesetzes
Uganda zählt zu den Ländern, in denen der Einfluss der US-Evangelikalen besonders drastische Konsequenzen hatte. Im Mai 2023 unterzeichnete Präsident Yoweri Museveni eines der schärfsten Anti-LGBTQ-Gesetze weltweit. Es kriminalisiert nicht nur homosexuelle Handlungen, sondern stellt bereits die bloße „Förderung von Homosexualität“ unter Strafe. Besonders umstritten: die sogenannte „aggravierte Homosexualität“ – eine Kategorie, die mit der Todesstrafe belegt werden kann.
Bereits 2009 war Uganda ein Brennpunkt für diese Dynamik. Damals trat der amerikanische Aktivist Scott Lively in Kampala auf, hielt Vorträge und warnte vor einer vermeintlichen „globalen Homo-Verschwörung“. In der Folge wurde das erste „Anti-Homosexualitätsgesetz“ entworfen – ein rechtlicher Vorläufer des heutigen Gesetzes. Lively wurde später in den USA aufgrund seiner Aktivitäten in Uganda juristisch belangt.
Konsequenzen für Betroffene
Die rechtlichen Entwicklungen in Uganda haben für die LGBTQ-Community des Landes gravierende Auswirkungen:
- Öffentliche Denunziation von Personen, die als homosexuell gelten.
- Polizeiliche Razzien in Einrichtungen, die als LGBTQ-freundlich gelten.
- Fluchtbewegungen in Nachbarländer oder ins Exil.
- Psychische Belastungen, Isolation und Verlust von Arbeitsplätzen.
Ghana: Eine Gesellschaft im Umbruch
Auch Ghana steht im Zentrum der Auseinandersetzung um LGBTQ-Rechte. Der „Proper Human Sexual Rights and Ghanaian Family Values Bill“, der im Parlament debattiert wird, sieht drastische Strafen für Homosexualität vor – bis zu zehn Jahre Gefängnis. Der Gesetzentwurf kriminalisiert zudem LGBTQ-freundliche NGOs, Publikationen und Unterstützungsangebote.
Besorgniserregend ist die enge Kooperation zwischen ghanaischen Lobbygruppen wie der National Coalition for Proper Human Sexual Rights and Family Values und US-amerikanischen Akteuren. Letztere liefern Argumentationshilfen, finanzielle Mittel und internationale Rückendeckung. Die Förderung von Konversionstherapien ist nur ein Beispiel dieser Zusammenarbeit.
Internationale Kritik und lokale Gegenwehr
Weltweit stoßen diese Entwicklungen auf scharfe Kritik. Die Vereinten Nationen, Amnesty International und viele andere Organisationen werten die Gesetze als Verstöße gegen die Menschenrechte. In zahlreichen Ländern wurden diplomatische Protestnoten eingereicht. Die Gesetzesvorhaben verstoßen unter anderem gegen die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte, die Afrikanische Charta der Menschenrechte sowie gegen lokale Verfassungen.
Gleichzeitig formiert sich auch auf dem afrikanischen Kontinent selbst Widerstand. LGBTQ-Aktivisten in Uganda, Ghana, Kenia und Nigeria versuchen, gegen die zunehmende Diskriminierung anzugehen – oft unter Lebensgefahr. Neben anonymen Unterstützungsnetzwerken gibt es zunehmend offene politische Stimmen, die sich gegen die Gesetze stellen. Ein Beispiel ist der ugandische Abgeordnete Fox Odoi-Oywelowo, der trotz starker Gegenwehr öffentlich für die Rechte sexueller Minderheiten eintritt.
„Diese Gesetze sind nicht nur unmenschlich, sie sind auch verfassungswidrig. Sie schaden unserem Ansehen als Gesellschaft und isolieren uns international.“
– Fox Odoi-Oywelowo, Abgeordneter des ugandischen Parlaments
USA: Der ideologische Export konservativer Politik
Auch in den Vereinigten Staaten selbst wird die Rolle evangelikaler Gruppen zunehmend kritisch gesehen. Unter Präsident Donald Trump erhielten viele dieser Organisationen neue politische Rückendeckung. Seine Amtszeit – sowohl die erste als auch die erneute ab 2025 – bot konservativen Bewegungen im In- und Ausland ein starkes ideologisches Fundament.
Insbesondere die Kürzungen internationaler Hilfsgelder für HIV-Programme, gekoppelt an moralpolitische Bedingungen, wirkten wie ein Hebel. Wer Fördermittel erhalten wollte, musste sich häufig an konservative „Wertekriterien“ halten – ein Mechanismus, der sich besonders auf afrikanische NGOs auswirkte.
Statistiken im Überblick
Land | Aktuelles Gesetz (2025) | US-Evangelikale nachweislich aktiv | Maximale Strafandrohung |
---|---|---|---|
Uganda | Anti-Homosexualitätsgesetz 2023 | Ja | Todesstrafe |
Ghana | „Family Values Bill“ (in Verhandlung) | Ja | 10 Jahre Haft |
Nigeria | Same-Sex Marriage Prohibition Act | Ja | 14 Jahre Haft |
Fazit: Ein globales Menschenrechtsthema
Die Einflussnahme US-amerikanischer evangelikaler Gruppen auf Gesetzgebungsverfahren in Afrika ist kein Einzelphänomen. Sie ist Teil eines gezielten Kulturkampfes, der darauf abzielt, konservative Werte weltweit zu verankern. Dabei werden bestehende soziale Spannungen in afrikanischen Gesellschaften instrumentalisiert, um politische Erfolge zu erzielen – auf Kosten von Minderheitenrechten und Menschenwürde.
Die internationale Gemeinschaft steht vor der Herausforderung, diesen Entwicklungen entschieden entgegenzutreten. Gleichzeitig ist es entscheidend, lokale zivilgesellschaftliche Akteure zu stärken, die für Aufklärung, Gleichberechtigung und eine offene Gesellschaft eintreten. Denn das Recht auf Selbstbestimmung, Identität und sexuelle Freiheit ist kein westlicher Import – sondern ein universelles Menschenrecht.