Berlin – In den Uferstudios in Berlin verschmelzen zwei scheinbar gegensätzliche Welten zu einem eindrucksvollen Ganzen: Der urbane Hip-Hop und der traditionelle Sabar-Tanz aus Senegal. In einem innovativen Workshop-Format begegnen sich Kulturen, Körper und Klänge – und eröffnen neue Räume für interkulturellen Austausch und kreative Selbstverortung.
Die Begegnung zweier Welten: Sabar und Hip-Hop
Was passiert, wenn ein Jahrhunderte alter Tanz aus Westafrika auf urbanen Streetdance trifft? Die Antwort liefern Formate wie „Hip Hop mixes Sabar“, die derzeit in Berlin neue künstlerische Wege beschreiten. Die Workshop-Reihe bringt Tänzer:innen und Musiker:innen zusammen, um gemeinsam ein hybrides Erlebnis zu schaffen – kulturell, körperlich und emotional.
Der Sabar-Tanz stammt ursprünglich aus Senegal, wo er in gesellschaftlichen Kontexten wie Taufen, Hochzeiten oder Heilungsritualen praktiziert wird. Im Mittelpunkt stehen dabei Trommeln mit dem gleichen Namen: Sabar. Charakteristisch ist das dialogische Zusammenspiel von Tänzer:in und Trommler – jede Bewegung ruft eine Antwort hervor, jeder Schlag provoziert eine Reaktion. Hip-Hop hingegen entstammt den Straßen von New York und lebt von Improvisation, Ausdrucksstärke und einem starken Gemeinschaftsgefühl. Auf den ersten Blick wirken diese beiden Tanzsprachen unterschiedlich, doch gerade in ihrem sozialen Charakter, ihrer Energie und Ausdruckskraft liegt eine tiefe Gemeinsamkeit.
Ein Workshop als kultureller Resonanzraum
Die Berliner Workshop-Reihe versteht sich nicht als bloßer Tanzunterricht. Vielmehr wird hier ein Resonanzraum eröffnet, in dem kulturelle Narrative, Identitäten und Beziehungen verhandelt werden. Die Teilnehmenden sind nicht nur Publikum oder Lernende – sie sind Mitgestalter:innen eines Prozesses, der Musik, Bewegung und Herkunft auf neue Weise zusammenführt.
Ein zentrales Element des Workshops ist das Konzept der Bewegung als Sprache. Durch den unmittelbaren Dialog zwischen Trommler und Tänzer:in entsteht eine nonverbale Kommunikation, die Intuition, Timing und ein tiefes Körperbewusstsein erfordert. „Sabar is becoming one of my favorite dance styles. The conversation between the dancer and the drummer is truly unparalleled“, schwärmt ein Teilnehmer auf Instagram. Es ist genau diese dialogische Struktur, die den Workshop so besonders macht: Hip-Hop-Bewegungen werden nicht isoliert gelernt, sondern als Antwort auf die Rhythmen der sabar-Trommel improvisiert und transformiert.
Von Dakar nach Berlin: Die politische Dimension von Bewegung
In den letzten Jahren hat sich der Sabar-Tanz zu einem kulturellen Exportgut entwickelt, das insbesondere in europäischen Städten neue Bedeutungsräume gewinnt. Die senegalesische Diaspora, Künstler:innen und Kulturpädagog:innen nutzen ihn nicht nur zur Vermittlung von Tanztechniken, sondern auch als Mittel zur Identitätsstiftung und kulturellen Selbstverortung.
Die Ethnologin Alice Aterianus-Owanga beschreibt diesen Prozess als „dancing an open Africanity“ – eine performative Form der Zugehörigkeit, die im Spannungsfeld von Tradition und Migration immer wieder neu verhandelt wird. Dabei geht es nicht um eine folkloristische Darstellung eines „authentischen“ Afrikas, sondern um hybride Räume, in denen kulturelle Selbstbilder aktiv gestaltet werden.
Sabar als diasporisches Ritual
In Workshop-Settings wie in Berlin übernimmt der Sabar-Tanz eine Funktion, die über das rein Künstlerische hinausgeht. Er wird zum sozialen Ritual, zum Medium der Erinnerung und zur kollektiven Erfahrung. Tänzer:innen erleben sich als Teil einer größeren Erzählung – einer, die Körper, Herkunft und kulturelles Gedächtnis miteinander verbindet. Das zeigen auch mehrtägige immersive Veranstaltungen, bei denen neben dem Tanzen auch gemeinsame Mahlzeiten, Trommelkreise und Performances stattfinden. Solche Formate erinnern eher an Zeremonien als an Unterricht.
Zwischen Körper und Klang: Der Lernprozess im Fokus
Der Workshop „Hip Hop mixes Sabar“ unterscheidet sich grundlegend von herkömmlichem Tanztraining. Statt Schrittfolgen zu imitieren, lernen die Teilnehmenden, auf Klang zu reagieren und daraus Bewegung entstehen zu lassen. Diese Art des Lernens fordert und fördert sowohl Kreativität als auch Körperwahrnehmung.
Einblicke in die Workshop-Struktur
Workshop-Element | Inhalt | Wirkung |
---|---|---|
Trommel-Intros | Einführung in sabar-Rhythmen | Rhythmusgefühl und kultureller Kontext |
Körperarbeit | Bewegungsimpulse, Bodenarbeit, Atmung | Stärkung der Körperwahrnehmung |
Dialogische Improvisation | Tänzer:in reagiert auf Trommler:in – live | Kreativität und Reaktionsfähigkeit |
Fusion mit Hip-Hop | Integration von Breakdance, Popping, Freestyle | Individuelle Ausdrucksformen entstehen |
Künstlerische Leitung und Vermittlung
Die Leitung des Workshops liegt bei erfahrenen Künstler:innen wie Nago Guèye Koité und der Tanzinitiative SAF SAP, die sich seit Jahren mit der politischen Dimension von Bewegung und kultureller Bildung beschäftigen. In ihrer Arbeit geht es nicht nur um die Vermittlung von Technik, sondern auch um Empowerment, interkulturelle Kommunikation und soziale Gerechtigkeit.
Begleitet wird der Workshop oft von mehrsprachiger Moderation (Deutsch, Französisch, Wolof), was sowohl die Zugänglichkeit als auch die kulturelle Tiefe des Formats stärkt. In den sozialen Medien wird genau diese Vielfalt immer wieder gelobt. Kommentare wie „a celebration of rhythm, culture, and connection“ oder „the energy is unreal!“ sind Ausdruck der Wirkung, die das Projekt entfaltet.
Wer profitiert vom Format?
Die Zielgruppe des Workshops ist ebenso vielfältig wie das Programm selbst. Während professionelle Tänzer:innen sich auf neue künstlerische Impulse freuen, entdecken viele Teilnehmende erstmals die Schönheit westafrikanischer Bewegungsformen. Besonders die senegalesische Community in Europa sieht im Workshop eine Möglichkeit, kulturelle Wurzeln zu pflegen und weiterzugeben.
Die wichtigsten Zielgruppen im Überblick:
- Tanzbegeisterte, die sich für interkulturelle Fusionen interessieren
- Menschen mit Migrationsgeschichte, die nach kulturellem Ausdruck suchen
- Künstler:innen & Choreograf:innen auf der Suche nach Inspiration
- Pädagog:innen, die neue Zugänge zu Diversity-Themen suchen
Kritische Einordnung: Zwischen Kunst, Identität und Event
Trotz der zahlreichen positiven Rückmeldungen wirft das Format auch Fragen auf: Wie authentisch bleibt der sabar-Tanz, wenn er mit Hip-Hop fusioniert wird? Wo verlaufen die Grenzen zwischen kultureller Aneignung und produktivem Austausch? Und wie können solche Formate langfristig bestehen, ohne in oberflächliche Event-Kultur abzudriften?
Einige Lehrende betonen, dass es keine reine „Tradition“ gibt, sondern dass jede Praxis ein Produkt historischer und sozialer Prozesse sei. Insofern sei auch eine Fusion mit Hip-Hop kein Bruch, sondern eine Weiterentwicklung. Andere sehen die Gefahr, dass durch die Kommerzialisierung zentrale Werte verloren gehen könnten – etwa die kollektive Funktion oder die spirituelle Tiefe des sabar.
Fazit: Ein Workshop mit nachhaltiger Wirkung
„Hip Hop mixes Sabar“ ist mehr als ein Workshop – es ist ein kulturelles Ereignis, das über den Tanz hinaus wirkt. Die Verbindung von Rhythmus und Bewegung, von Dialog und Improvisation, schafft einen Erfahrungsraum, in dem Herkunft, Körper und Gemeinschaft auf besondere Weise zusammenkommen. Die Berliner Ausgabe steht exemplarisch für eine neue Form von künstlerischer Bildungsarbeit, die gleichberechtigt vermittelt, inspiriert und verbindet.
Gerade in einer zunehmend polarisierten Gesellschaft kann ein solcher kultureller Dialog neue Brücken schlagen – nicht nur zwischen Kontinenten, sondern auch zwischen Generationen, sozialen Milieus und künstlerischen Ausdrucksformen. Der Tanz wird hier zur Sprache – und die Bewegung zur Botschaft.